Ich würde gerne noch etwas hinzufügen, weil ich das Vorhersagen des Pfeilflugs sehr spannend finde.
Allein wenn man sich die Definitionsprobleme von verschiedenen Zieltechniken anschaut, bekommt man doch das Gefühl, dass hier immer nur ein kleiner Teil eines komplexeren Systems betrachtet wird, oder aber dass jede "Zieltechnik" Vor- und Nachteile hat. Viele sind sich gar nicht so einig was eigentlich die Unterschiede zwischen z.B. Point of Aim, Gap oder Split Vision sind. Ich behaupte mal vereinfacht: die Pfeilspitze auf einen Punkt im Sichtfeld zu halten ist schonmal grundlegend zu wenig Information um zu wissen wo der Pfeil landen wird. Ob ich mich jetzt eher auf diesen Punkt, die Pfeilspitze oder den Abstand von irgendwas zur Zielmitte konzentriere, ändert eigentlich nur das mentale Verständnis oder die Sprache darüber.
Byron Ferguson und Howard Hill benutzen ja angeblich "Split Vision", aber für mich klingt die Definition wie eine Aufweichung von verschiedenen anderen Betrachtungsweisen. So nach dem Motto: "Konzentrier dich auf die Zielmitte, aber auch auf die Pfeilspitze, das Gelände und vielleicht noch ein bisschen drum herum." Ferguson hat mal (frei übersetzt) gesagt: "Ich weiß wie der Pfeil fliegen wird." Das erklärt meiner Meinung nach viel besser wie es möglich ist z.B. Trickshots mit wechselnder Körperhaltung durchzuführen.
Natürlich lässt sich beobachten, dass mit Visier und/oder System in bekannten Situationen am Ende mehr Ringe auf der Scheibe zu holen sind, aber wenn man sich andere Situationen anschaut, denke ich, dass der grundlegende Ansatz die gesamte Flugkurve des Pfeils vorherzusagen die einzig "absolut korrekte" Zieltechnik sein kann. Auch wenn das meistens "instinktiv/intuitiv" genannt wird, ist es doch nichts weiter als den Pfeilflug in Gedanken zu simulieren. Dazu braucht es allerdings vor allem den Winkel des Pfeils und gelernte Erfahrung über das ballistische Verhalten.
Wenn ich durch meine Schießtechnik die meisten Variablen gleich halte (Beschleunigungskraft durch konstanten Auszug, gleiches Lösen, etc), dann noch die Lage der Scheibe vertikal fixiere und Wind nicht beachte, muss ich am Ende wahrscheinlich nur noch die Pfeilspitze im Sichtfeld positionieren, der Rest ist ja gleich. Aber sobald sich andere Variablen ändern, muss die Zieltechnik komplexer werden. Eine 2D Zieltechnik hat das Problem, dass soetwas wie Hindernisse/Äste auf dem Weg zum Ziel ignoriert werden. Ich finde z.B. einen Schuss spannend bei dem ein Ast aus meiner Sicht genau vor der Zielmitte liegt und ich mit der Parabel drüber muss oder aus sehr tiefer Standposition zielen muss. Die "beste, flexibelste und komplexeste" Zieltechnik wäre also die bei der ich einfach simuliere wo der Pfeil entlang fliegt.
Ich weiß, es klingt nach ein bisschen zu viel Theorie, aber ich zieh daraus praktischen Nutzen: Beim Zielen verlängere ich in Gedanken den Pfeil nach vorne und stelle mir vor wie die Linie sich langsam nach unten beugt. Das geht mit einem Pfeil wesentlich einfacher als in dem bekannten Beispiel des Ballwerfens, weil ich ja gute Referenzpunkte nahe am Auge hab. Die Vorhersage wo sich der Pfeil zu einem bestimmten Zeitpunkt im Flug genau befindet ist verhältnismäßig einfach zu lernen. Am Ende treff ich nicht, weil meine schlechte Technik dafür sorgt, dass der Auszug und das Lösen nicht konstant ist oder der Schuss verrissen wird. Gibt aber Beispiele in beide Richtungen, eben auch Leute die ohne Technik aus der Hüfte schießend treffen.