Als traditioneller Schütze verstand ich intuitives Zielen wohl von Anfang an falsch: während des gesamten Schussablaufs fokussierte ich den Pfeil - „Become The Arrow“ eben. Mit zunehmender Routine wurden die Abläufe unbewusster, das Lösen damit einhergehend unkontrollierbarer. Spe-ziell in Stresssituationen kam ich schließlich vor allem bei geringen Distanzen selbst mit Willensan-strengung nicht mehr in den Vollauszug. Weitschüsse waren hingegen kein Problem: Diese gelan-gen mir von Anfang an ja nur mit sehr bewusstem Schussablauf, impulsives Lösen konnte sich da nie entwickeln!
Interessant – wenn auch hinsichtlich der Heilungsprognose eher frustrierend - war die Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Symptom Taget Panic. Neben den Threads hier im Forum seien z. B. auch die praxisnahen Ausführungen unter
https://www.bogenladen-collenberg.de/target-panic/ empfohlen. Der verbreitete Rat, sich mittels Blindschüsse bzw. ohne Zielauflagen schuss-technisch neu zu konditionieren war allerdings nutzlos – gerade ohne Zielen bzw. ohne Löseabsicht war mein Schussablauf ja einwandfrei!
Ich berichte mal, wie ich nach vielen Versuchen jetzt pragmatisch mit der Zielangst umgehe. Ich bin jedoch noch mittendrin und interessiert, Erfahrungen mit anderen Betroffenen auszutauschen.
1. Am Anfang stand die Entscheidung, die volle Kontrolle über den Schussablauf und insbe-sondere das Lösen zu bekommen, und zwar über ein komplett neues Setting. Dafür sollten die einzelnen Phasen mental voneinander getrennt werden, insbesondere das Zielen. Denn ohne Zielen kein Target - und ohne Target keine Panic!
2. Zunächst habe ich meinen Auszug verändert. Ich ziehe den Pfeil nicht mehr auf das Ziel ausgerichtet horizontal nach hinten auf, sondern mit einem betont dynamischem „swing draw“. Ohne Fixierung auf das Ziel gelingt dies ohne Lösereflex – und ist zudem kräfte-schonend, wichtig auch im Hinblick auf den nächsten Punkt.
3. Statt mit dem Mittelfinger am Mundwinkel ankere ich jetzt hinter dem unteren Kieferbo-gen, unverrückbar „eingerastet“ in der Kuhle zwischen Daumen und Zeigefinger. So ist auch hier kein Mogeln mehr möglich, sondern allein ein zu 100% definierter Status, erreichbar zudem nur mit leichtem überziehen.
4. Mit dem tieferen Anker verschob sich die Ausrichtung der Pfeile und damit die Trefferlage nach oben. Um den Unterschied zu verringern, habe ich den Sehnengriff von mediterran auf 3-Unter verändert. Nicht notwendig, als neue Konfiguration im Hinblick auf die Neu-konditionierung aber wohl eher vorteilhaft.
Weil ich bis hierher nicht das Ziel fokussiere, gibt es keine unkontrollierten Reflexe. Ich komme zuverlässig in den Vollauszug, in Verbindung mit dem festen, satten Anker schon mal ein sehr gutes Gefühl! Zudem ziehe ich eineinhalb Zoll weiter aus, die Schüsse haben also mehr „Wumm“.
5. Um mit der nun beginnenden Fokussierung des Ziels impulsives Lösen zu vermeiden, brin-ge ich mich zunächst auch mental in einen stabilen Anker. Dazu zentriere ich das Ziel zu-nächst so zu sagen als Routinehandlung im Schussfensters, möglich wäre auch jeder andere feste Bezugspunkt, etwa die Pfeilspitze.
Ganz entscheidend bei diesem und dem nächsten Punkt: Ich bewege den Bogen nur diszipli-niert aus der T-Stellung heraus Also mit starrer Armhaltung, also auch in dieser kritischen Phase entschleunigt und ohne Raum für Impulsivität.
6. Erst wenn ich mich in dieser Grundausrichtung entspannt wahrnehme, fokussiere ich das Ziel – zeitlich und mental getrennt von allen vorherigen Phasen des Schussablaufs. In mei-nem Fall geschieht die vertikale Ausrichtung des Pfeils bis zu den mittleren Entfernungen intuitiv, bei größeren Distanzen über mehr oder weniger bewusstes Drüberhalten.
Vor allem letzten die beiden Phasen kosteten einige 1000 Schüsse Training und viel Frustrationsto-leranz, aber es geht immer besser! Und nun? Überwunden habe ich sie ((noch)) nicht die Zielangst, gerade bei Stress oder Erschöpfung lösen sich am Ende immer noch Schüsse impulsiv. Aber auch wenn: Mit dem neu getakteten, entschleunigten Schussablauf habe ich bis dahin alles richtig ge-macht - angefangen mit immer identischem Vollauszug - und treffe oft selbst dann noch „Körper“!