Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt dazu was schreiben soll. Ich, zwei meiner besten Bogenkumpels und meine Tochter haben Targetpanik, und bei jedem ist es vollkommen anders. Das Problem ist ein sehr individuelles, und deswegen kann ich auch nur aus meiner Sicht schreiben. Vielen Aspekten meiner Vorschreiber stimme ich voll zu, andere empfinde zu mindestens ich als problematisch.
Aufregung habe ich anfangs gehasst und empfand es als störend. Irgendwann erkannte ich, dass ich in der "Aufregungsphase" besser ablieferte, und so begann ich diese Energie regelrecht zu nutzen - und wie andere schon Schreiben, positiv zu sehen. Natürlich geht mir die Muffe, wenn bei speziellen Turnieren direkt gegen Konkurrenten antreten muss und wirklich alle schauen zu. Aber ich versuche diese "Hochspannung" für meine Konzentration zu nutzen. Das macht sogar etwas süchtig.
Wenn es allerdings nicht gelingt, diesen Adrenalin-Überhang zu lenken, so dass er sich eher negativ auf das Ergebnis auswirkt, ist das ein Aspekt von Wettkampfangst. Auch Targetpanik kann ein Aspekt von Wettkampfangst sein. Aber ich glaube nicht, das Aufregung und Targetpanik unmittelbar miteinander zu tun haben.
Bogenschießen ist ein sehr ehrlicher Sport. Das Ergebnis unseres Tuns bekommen wir unmittelbar auf die Stulle geschmiert. Dann ist natürlich die Frage, wie ehrlich sind wir gegen uns selbst? Wie bewusst oder unbewusst reden wir uns was schön oder Lügen uns selber in die Tasche?
Das fängt schon beim Treffen an. Treffen - ist natürlich wichtig. Wenn einem Bogenschützen das nicht wichtig wäre, dann nimmt er seinen Sport nicht ernst. Dann macht er grundsätzlich was falsch. Der Treffer ist aber nur das logische Ergebnis all dessen, was wir mit nicht minderer Wichtigkeit Aufmerksamkeit zollen müssen. Was für ein pathetischer Satz! Als Anfänger ist der Treffer für mich der einzige subjektive Wertmesser meines Erfolgs. Mein ganzes Tun richtet sich darauf hin aus. Auch Emotionen spielen eine wichtige Rolle. Freude über gute Treffer und Ergebnisse, Ärger über Fehlschüsse und ein verpatztes Turnier.
Erst spät, und gerade im Fall von Targetpanik merkt man, dass man irgendwo vollkommen unbewusst den Pfad verloren hat. Irgendwo ist man falsch abgebogen - obwohl man meinte auf der vollkommen korrekten Spur zu sein. Schließlich schießt man schon seit Jahren, da ist alles in Fleisch und Blut übergegangen. Deswegen habe ich meine Probleme mit dem "unterbewussten"," intuitiven", "instinktiven", mit welchen sich wir Tradis uns schmücken und gern alles überdecken. Nur wenn ich nicht möglichst gut nachvollziehen kann, warum ich nicht treffe, wie soll ich konstruktiv Einfluss auf mein Schießen nehmen?
Viele Tradis mögen die Schießlinie nicht, und ich befürchte, dass diese oft nur ungeschminkt ihre eigenen Schwächen spiegelt. Mit der Schwäche meine ich nicht eine perfekte Technik - denn dass ist ja nun mal das Phänomen im Tradi-Bereich und ein Grauen für die Fitanesen - ich kann auch mit einer miesen Technik gut treffen, wenn ich sie nur perfekt reproduzieren kann. Die Schwäche ist, dass ich genau hierauf den Fokus vernachlässigt habe. Der Schussaufbau ist ja verinnerlicht...
Und es geht auch nicht darum wieder von 0 anzufangen. Nach der 0 kommt die 1, dann die 2, 3...man bewegt sich wieder fort. Es sind schlicht die Grundlagen, denen man sich mit Hingabe sein ganzes Bogenschützenleben widmen muss. Das ist die schlichte Wahrheit.
Natürlich kann ich nicht so perfekt im Parcours stehen wie an der Schießlinie. Aber ich kann und MUSS den mir persönlich perfektesten Stand suchen, bevor ich im Schussaufbau weitergehe. Und wenn ein Stein unter der Sohle stört, muss dieser weg, sonst potenziert sich dieser Makel unbewusst weiter hoch und alle folgenden Abläufe erfahren nicht mehr die gleiche Achtsamkeit. Treffe ich dann nicht, kommt fast automatisch ein "habe ich mir denken können". Aber war es das unterbewusst störende Steinchen, oder ein Fehler irgendwo in dem dann nicht mehr mit voller Konzentration abgespulten Schussaufbau? Ich kann es nicht mehr differenzieren. Und selbst wenn man gut getroffen hat, bleibt unterschwellig das Gefühl, verdammt Glück gehabt zu haben, und es ärgert einen auch. Das Problem ist, dass wir den Treffer oder Nichttreffer stark mit Emotionen verketten, wie bei einer Belohnung oder Strafe, und hier hakt TP stark ein - die Verbindung mit Positiven oder Negativen unmittelbar mit dem Ergebnis Treffer/Nichttreffer.
Ist man jedoch mit Fokus in seinem Schussaufbau und hatte ein gutes Gefühl bis hin zum Lösen - und trifft dann nicht, kann man sich entweder nur von der Entfernung verschätzt haben, oder man erkennt einen möglichen Fehler recht gut. In jedem Fall kann man sich nichts vorwerfen und gleichzeitig lernt man draus. Dann verliert auch der Nicht-Treffer an "Tragik" und Emotionen halten sich in Grenzen.
Einer der Vorredner schrieb, dass die Gewichtung vom Ziel weg muss. Im Grunde war oder ist sie nie beim Ziel. Der Gewehrschütze bringt Kimme, Korn und Ziel in Einklang. Er muss sich auf alles gleichermaßen fokussieren um treffen zu können. Wir haben keine Kimme und Korn, nur unseren Schussaufbau und das Ziel, haben es also noch schwerer und müssen deshalb noch sorgfältiger sein, den Fokus gleichmäßig zu verteilen. Ist er ausschließlich beim Schussaufbau, wird das auch nichts.
Spaß.
Jeder der eine weile das Hobby betreibt hat Leute kommen und gehen sehen. Wenn es nicht Zeitgründe sind oder die Gesundheit, ist es durchaus Unzufriedenheit. Ich kenne einige Fälle. Oftmals reichte es schon, wenn die eigene Frau erfolgreicher ist. Dann kommt halt das Ego. Manche haben einen Knick nach 3 bis Jahren, wenn Erfolge an Fahrt verlieren. Und manchmal ist es Targetpanik.
Aber Mangel an Spaß war es bei aller Aufregungs- und Wettkampfliebe nicht, der bei mir Targetpanik ausgelöst hat. Im Gegenteil, er hält mich bei der Stange, und die Ehrlichkeit des Bogenschießens, der man sich immer wieder stellen muss.