Hallo Community,
heute schreibe ich eine Bogenvorstellung ‚im Auftrag‘ über den Bogen meines besten Freundes Günter, einfach deshalb weil ich glaube dass der eine oder andere hier sich über eine Info zu diesem exotischen Stück freut und Günter nicht so ein Schreiberling ist.
Günter schießt leidenschaftlich seit 2 Jahren intuitiv mit einem 62“ Spiderbow Hybrid. Vor einem Jahr wurde er auf der Suche nach etwas Besonderem auf Big Jim in Georgia aufmerksam. Dieser hat vier Bogenmodelle, die er in teils sehr ungewöhnlichen Holzsorten mit allerlei kreativen Akzenten und unter anderem als Zweiteiler herstellt. Darunter ist ein kurzer Hybrid. Big Jim nennt ihn einfach Longbow - der Thunderchild.
Günter wurde vom Thunderchild in Black&White Ebony und als teilbare Ausführung gepackt und nicht mehr losgelassen, so dass er sich im Juni letzten Jahres mit $ 100 Anzahlung auf die Warteliste eintragen ließ.
Im Februar erkundigte sich Jim nach Günter’s Wünschen. Außer den Daten wurden nicht allzu viele Vorgaben gemacht, lediglich die Art der Maserung des Black&White Ebony wurde besprochen, den Rest sollte Jim passend festlegen. Eine gute Entscheidung wie sich später herausstellte.
Der Bogen ist nun Ende April, also 10 Monate nach der Anzahlung, angekommen.
Der Versand erfolgte mit der US Post. Eines Tages kam ein Brief vom Zoll mit der Aufforderung, über ein Formular zu erklären um was es sich eigentlich handelt sowie die Rechnung vorzulegen. Nach Zahlung der Märchensteuer und des Zolls konnte der Bogen abgeholt werden.
Optik und Verarbeitung:
Makelloses Material, sehr schöne Furniere, keine eine einzige Pore im Holz, erstklassige Lackierung in matt. Alle Übergänge sind ohne jeglichen Absatz oder Rille. Es gibt keine einzige Ritze an den zahlreichen Laminaten.
Die Tips mit Horn-Overlays sind topp verarbeitet, das Sehnenkerben-Finish ist vom Feinsten.
Eine Münze mit Indianer-Kopf ist im Griffstück versenkt und mit Epoxy übergossen, somit topfeben mit dem Holz.
Big Jim macht seine Furniere selbst, und so wurden vier nebeneinander liegende Furniere verwendet und geschickt angeordnet, so dass sich eine perfekt stimmige Gesamt-Optik ergibt.
Technik:
Die Takedown-Funktion ist unsichtbar unter dem schönen und perfekt angebrachten Biberschwanz-Griffleder untergebracht. Das Zusammenstecken erfolgt völlig spielfrei, ‘saugend‘ ist der passende Begriff.
Die Griff-Form ist stimmig, das Suchen einer Handposition entfällt, eine deutliche aber unaufdringliche Daumenauflage hilft dabei.
Die Spucke blieb mit weg als ich die Dicke des Materials am Bogenfenster gemessen habe: Nur 15 mm. Ein Glasfaserkern (‘G10 I-Beam‘) im Mittelteil ermöglicht diese schlanke Ausführung, sowie einen Mittenschnitt von ca. 3 mm über Center.
Das Bogenfenster ist deutlich, das Shelf vergleichsweise dezent gerundet. Feines Fell am Bogenfester und ein flauschiges Vliesgewebe am Shelf sind perfekt zugeschnitten und angeklebt.
Abgerundet wird das alles mit einer sehr sauber hergestellten Sehne. Diese überraschend in Schwarz-Rot-Gold – eine nette Geste wie ich finde.
Zum Lieferumfang gehört noch ein kleines Manual sowie eine Dose Spezialwachs zur Schmierung der Take-Down-Verbindung.
Erstes Schießen zuhause:
Wie sich herausstellte war der Bogen eingeschossen: Die Sehne war auf Standhöhe eingestellt und setzte sich nur noch 2 Millimeter, und der Nockpunkt war bereits auf der perfekten Höhe – und zwar sauber gewickelt. Der Bogen kam also Ready To Shoot – sowas habe ich noch nie erlebt und auch noch nie gehört.
Die Bogenhand sitzt sofort perfekt und ist dabei sehr nah am Pfeil, der Abstand vom Zeigefinger zum Pfeil ist unter 5 mm.
Das Biberschwanz-Leder fühlt sich super an und bietet genau den richtigen Grip.
Der Auszug ist durchgehend butterweich, der Schuss kommt schön, trocken und kernig, und trotz des geringen Gewichts ist der Bogen schussruhig.
Das Mindestpfeilgewicht ist 8 gpp, getestet wurde mit 8 und 10 gpp. Die etwas schwereren Pfeile sind die richtigen - man spürt dass bei den leichten Pfeilen Energie im Bogen zurückbleibt ohne dass sie schneller fliegen. Der Bogen ist also für jagdliches Pfeilgewicht gemacht.
Tuning:
Sehr einfach. Der Nockpunkt stimmte bereits perfekt, und der passende Spine war schnell gefunden. Selbst nicht ganz passende Rohschäfte verließen den Bogen überraschend gut.
Die bei kurzen Bögen öfters auftretende Empfindlichkeit auf unterschiedlichen Ablass oder Druckpunkt im Griff blieb auch aus.
Ich denke das alles liegt an dem perfekt gestalteten Bogenfenster und Shelf sowie an dem großzügigen Über-Center-Schnitt.
Schießen auf dem Platz:
Unser Vereinsgelände bietet die Möglichkeit Parcours-artig zu schießen, so war der erste Ausflug zum Schießen von Pfeilen und Fotos schnell gemacht.
Günter kam sofort mit dem Bogen zurecht und hatte so viele gute Treffer, dass er bald vom ‘Big-Jim-Effekt‘ sprach. Die gute Schießbarkeit kommt wohl hauptsächlich von dem super Griff, der fehlerverzeihenden Geometrie des Bogenfensters und der sehr nah am Pfeil liegenden Hand.
Fazit:
Der Bogen ist ein Kunstwerk, und zwar konzeptionell, handwerklich und optisch.
Schießtechnisch ist er erste Sahne.
Er ist jeden Cent und die lange Wartezeit wert.
Daten / Spec:
56“
35# @ 28“
600 Gramm
Wurfarmkern Bambus, G10 I-Beam im Mittelteil
Griff medium size und medium high
Horn Tips, Furnier Griff-Overlay
14 Strang FF+
€ 1350.- incl. Versand, MwSt und Zoll
Grüße, Daniel + Günter
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