Vor einem Jahr bin ich eher zufällig über einen Artikel zur Geschichte der Shrew-Bögen gestolpert. Das Interesse war geweckt, in den folgenden Monaten habe ich ab und zu die Website besucht, um dann im Frühjahr Henry Bodnik anzurufen, der mir telefonisch ein paar Fragen beantwortet hat. Wenig später habe ich Henry dann zufällig in Wien getroffen, als ich bei Bogensport Austria dankenswerterweise einen Shrew probeschießen durfte. Eigentlich hatte ich ja einen Super Shrew II im Blick und habe Henry gefragt, ob ich besser 58” oder 60” nehmen soll, immerhin hatte ich damals nur einen Bogen, einen 64” ILF. Henry hat mir für einen Auszug bis 30” nachdrücklich empfohlen, einen 56” Classic Hunter zu nehmen und dieser Empfehlung bin ich dann gefolgt und gleich vorweg: das passt perfekt. Wir haben uns auch über den Schnitt zur Mitte unterhalten, den ich als custom bestellen durfte, solange es sich um ein Modell mit harten Hölzern als Hauptbestandteil im Mittelteil handelt (z.B. Mycarta, Ype, Bubinga), beim Heritage ist das der Fall. Serienmäßig wäre der Shrew 3 mm vor die Mitte geschnitten. Am selben Abend habe ich über die Shrew Website bestellt und exakt 4 ½ Monate später dann meinen Shrew geliefert bekommen.
Modell: Classic Hunter II “Heritage”
Ausführung: RH, one-piece, 3under
Custom: Shelf zur Mitte geschnitten
Länge: 56”
Zuggewicht: 42# @30”
Standhöhe: 7 3/4”
Sehne: Dynaflight 10 mit 10+2 Strängen (original Whisperstring mit 8 Strängen)
Bogenköcher: Custom by Uller für 5 Pfeile
Gewicht:
Shrew: 550 g
Bogenköcher leer: 235 g
Gesamtgewicht mit 5 Pfeilen: ~900 g
Unboxing: in der stabilen Verpackung wartet ein Shrew mit grünem Umhang. Außer einer Spannschnur und einer Whisper String mit 8 Strängen ist nichts dabei, wobei ich ja mutmaße, dass sie die Bedienungsanleitung/garantie vergessen haben. Die Verarbeitung des Bogen ist einwandfrei: perfekte Oberfläche, schöne Übergänge, ein sauber ummantelter Griff. Die Wurfarme und die Tips sind formschön und auffällig schmal, fast filigran. Der obere Tip ist spitz, der untere stumpf. Der Griff liegt mir außergewöhnlich gut in der Hand: rechts ist eine kleine Daumenauflage, der Griff ist links etwas bauchig geformt und wird nach vorne hin ein wenig schmäler. Die Hand liegt sehr nahe am Shelf, dieses ist schmal gehalten und auch ziemlich flach.
Aufspannen: beim Aufspannen leistet der Shrew ganz schön Widerstand bis man ihn einmal weit genug auf die richtige Seite gebogen hat. Beim Nachdrehen der Sehne ist das dann nicht mehr der Fall, in dem Bereich lässt er sich relativ leicht biegen. Apropos nachdrehen: die Whisperstring musste ich am Anfang gefühlt bei jedem 3. Schuss nachdrehen, die ersten drei Tage täglich, auch danach noch 2 oder 3 mal; die D10 hab ich drei Mal nachgedreht und fertig.
Auszug: der Shrew lässt sich sehr gleichmäßig ziehen und in meinem Empfinden auch sehr weich. Es gibt keinen deutlichen Anstieg auf den letzten Inch. Beim Abschuss mit der D10-Sehne – die ich zum Glück aus Guidos Restbeständen noch ergattert habe – bei 9 gpp ein sattes und leises Geräusch und kein Handschock. Mit der Whisperstring - der Name ist nicht Programm - etwas lauter. Bei 7,5 gpp ist der Bogen lauter und hat leichten Handschock. Ein Auszugsdiagramm (eines deutlich stärkeren) 56” Shrew findet sich auf der Shrew-Website:
https://www.bodnikbows.com/images/pdf/classic-hunter/shrew-bow-classic-hunter-2-draw-weight-graph-56.pdfParcour: Gleich der erste Tag in freier Wildbahn bestätigt, dass mir der Bogen richtig gut in der Hand liegt. Die Griffposition ist für mich gut reproduzierbar und generell hab ich mit dem Bogen ein richtig gutes “natürliches” Schussgefühl. Schwer zu beschreiben, aber es erinnert mich sehr an das Schiessen mit dem Reiterbogen. Ich schieße gerne schnell und fallweise auch gern mal mit fliegendem Anker und das klappt mit dem Shrew auf den kürzeren Distanzen bis vielleicht 20-25 m ganz hervorragend.
Ihr seht, Liebe auf den ersten Schuss – und dennoch hat mich der Shrew über Wochen an den Rand des Wahnsinns getrieben, daher nun ein kleiner Exkurs.
So gut es auf dem Parcour auf gelaufen ist, die Pfeile sind nicht wirklich sauber rausgegangen, haben aber dank Befiederung doch recht gut getroffen. Die Rohschaftversuche – Tests konnte man das gar nicht nennen – waren eine Katastrophe, nichts habe ich richtig zum Fliegen bekommen: 500er, 600er, 700er mit Spitzengewichten von 80-150 gn. Mein Verdacht: der Nockpunkt und ein Anschlagen der Pfeile auf dem Shelf. Ich habe irre Nockpunkte von 5 - 28 mm durchprobiert und nie, wirklich nie zeigten die unterschiedlichen Rohschäfte einen zu tiefen Nockpunkt an. Die Rohschäfte waren immer rechts/unten, also in Richtung zu weich und Nockpunkt zu hoch, manche sind richtig schirch abgebogen, bei 28 m mehr als 1 Meter zu weit rechts und deutlich zu tief. Ich habe das Problem “Nockpunktinvarianz” genannt und schwer an meinem Release und generell meinen Fähigkeiten gezweifelt und überlegt, auf Fliegenfischen umzusteigen. Ich hatte dann auch wenig Lust, die Zeit in der Halle zu verbringen, sondern habe das schöne Herbstwetter für weitere überaus feine Parcourrunden genutzt.
So ging es in den November, zwei meiner Vereinskollegen haben dann in der Halle auch mit meinem Bogen geschossen, beide gute mediterrane Schützen, die für mich 3under geschossen haben. Das Ergebnis: wie bei mir. Das hat mich einerseits gefreut, schließlich war nicht ich das Problem, andererseits waren wir der Lösung keinen Schritt näher. Einer meiner Kollegen wollte dann mediterran schießen und auf einmal verhielten sich die Rohschäfte in Richtung des Erwartbaren. Dann habe ich auch mediterran probiert - zum ersten Mal in meinem Leben - und war ebenfalls recht erfolgreich. Das war dann schon sehr spät abends, ich hab dann am nächsten Tag wieder allein weitergemacht und wieder mediterran brauchbare Ergebnisse erzielt, 3under keine, wieder mit diversen Nockpunkthöhen. Freund und Vereinskollege Manfred (der Manfred von intuitivbogen.at) hatte die Kamera mit und hat schnell ein SloMo von mir gemacht. Manche von euch werden gedanklich schon auf der richtigen Spur sein: in der SloMo sieht man wunderbar, wie die Nocke im Lauf der vorschnellenden Sehne nach unten wandert und zum Zeitpunkt des Verlassens der Sehne bereits weit unter dem Nockpunkt ist, geschätzt >10 mm. Der Pfeil im Video hebt vorne schön ab, nur um dann später noch einmal kräftig auf das Shelf gedrückt zu werden, in etwa im Bereich der Axis-Beschriftung auf dem Pfeil. Da haben wir die “Nockpunktinvarianz”. Einen Tag später mit zweitem Nockpunkt unter dem Pfeil habe ich dann binnen einer Stunde sowohl den Nockpunkt als auch den Spine erfolgreich ausgeschossen und über die nächsten Tage dann nur mehr leicht verfeinert zusammen mit dem Wechsel der Sehne von der leidigen Whisperstring auf die D10. So, genug des Exkurses, möge dieser Text anderen 3under-Schützen viel Leid ersparen
Bogenköcher: dunkles Leder mit Kontrastnaht, für 5 Pfeile. Hält bombenfest am Shrew, sieht fantastisch aus und ist im Handling eine Freude. An dieser Stelle ein großes Danke an Uller und eine große Empfehlung seiner Handwerkskunst! Ich hab grad den zweiten Bogenköcher bestellt, aber das ist eine andere Geschichte...
Geschwindigkeit: Noch mit der Whisperstring habe ich zwei kleinere Serien im Garten geschossen, je 20 Pfeile und die drei schlechtesten/besten eliminiert, vom Rest Mittelwert und Median, in beiden Fällen mit demselben Ergebnis. Die 700er CE Predatoren mit 110 gn Spitze haben gesamt 320 gn Gewicht (~ 7,5 gpp) und liegen bei 198 fps. Die 500er Easton Axis mit 110er Spitze haben 380 gn Gewicht (~ 9 gpp) und kommen auf 184 fps.
Pfeilabstimmung: Easton Axis 500, reine Schaftlänge auf 30” geschnitten und mit TopHat SLX Break-Off Spitzen mit 110 gn. Federn 4” SuperSpeed (Shark Cutter). Das Pfeilgewicht tut dem Shrew gut und schön leise ist er damit dann auch.
Mittlerweile habe ich so einige weitere Parcourrunden geschossen und ich bin nach wie vor sehr begeistert vom Shrew. Klein, leicht, handlich und unkompliziert. Mit Ullers Bogenköcher perfekt für schnelle abendliche Parcourrunden. Der lederummantelte Griff ist wie für mich gemacht. Bei uns ist grad ein bissl Winter mit Temperaturen um/unter 0° und da ich nach Möglichkeit auch im Winter ohne Handschuh auf der Bogenhand schiesse freue ich mich darüber, dass sich der lederummantelte Shrew deutlich wärmer anfühlt als das White Feather Mittelteil.
Fazit: für mich hat sich der Shrew als wahrer Glücksgriff erwiesen – schießt gut, fühlt sich gut an und sieht auch toll aus.
Nachdem man Shrews nicht an jeder Ecke sieht: falls jemand im südlichen NÖ einmal in Ruhe probieren will – welcome!