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Der gründliche aber viel längere Weg: Sehr viel schießen! Deutlich mehr! Mit verschiedenen (und verschieden schweren) Bögen, unterschiedliche Pfeilen auf immer unterschiedliche Entfernungen und Ziele schießen. Spaßschüsse wenn immer möglich. Oft die Position und Haltung wechseln, immer auf sauberes lösen achten. Keine Angst vor "Luftanker" oder anderen verpönten Techniken. Mal in der Hocke, auf Knien und im liegen schießen. Immer nur wenige Pfeile schießen, Schuß und Körpergefühl lange beobachten und memorieren. Bewußt atmen. --> Langsamer Fortschritt aber auf viel breiterer Basis, hoher Spaßfaktor. Üben ist Bogenschießen.
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Ich empfehle hier mal die Theorie des „differenziellen Lernens“ nach Schöllhorn. Hier mal grob aus dem Gedächtnis heruntergeschrieben.
1) Das Ganze beruht grob gesagt darauf, dass eine exakte Wiederholung von Bewegung nicht möglich ist, da immer Schwankungen auftreten. Das gilt auch für Elitesportler und ist messbar. Wenn man sich beim Bogenschießen die Anteile der beteiligten Gelenke anschaut, sind geringste Abweichungen nicht zu verhindern und eine minimale Winkeländerung z.B. im Fußgelenk hat Auswirkungen aufs ganze System. Und unser Körper ändert sich ständig (Pulsschlag, Müdigkeit, Verspannungen etc.), von der Umwelt ganz zu schweigen.
Klassische Trainingsansätze versuchen nun, die minimalsten Änderungen zu kontrollieren und auszuschließen. Moderne Ansätze akzeptieren die Nichtwiederholbarkeit und beziehen sie in das Training ein.
2) Desweiteren ist durch die Individualität von unterschiedlichen Sportlern eine Idealtechnik nur bedingt beschreibbar. Vergleicht man Athleten so findet man unterschiedlichste Körpertypen. Beispiele sind Armlänge, Schulterbreite etc. Vielmehr liegt die optimale Lösung für das Individuum in einem Lösungsraum. Diesen gilt es herauszufinden und das schaffe ich nicht indem ich versuche auf einer Linie zu fahren, sondern indem ich die Ränder abtaste. Die Kunst ist, herauszufinden, wo der Lösungsraum endet. Durch beliebige Bewegungen werde ich auch nicht Bogenschießen lernen.
Schaut man sich die verschiedenen Bogenstile an, so bieten sich vielfältige Varianten. Und neulich habe ich hier im Forum ein Video gesehen, wo das Lösen nach technischen Gesichtspunkten katastrophal aussah und der Herr einfach alles getroffen hat. (War irgendein Ami).
3) Alle bekannten lernenden Systeme weisen Schwankungen auf. Programmierte, programmgesteuerte Roboter lernen nicht. Die Schwankungen im System bilden die Grundlage für den Vergleich. Bei Anfängern treten die Schwankungen automatisch auf, da sie die Bewegung noch nicht optimal kontrollieren können, aber dann beginnt das System stabiler zu werden und die Lernkurve wird flacher. Hier kann es dann helfen, die Schwankungen wieder zu erhöhen.
Ich schreibe das hier alles aus dem Gedächtnis auf, daher ist vielleicht alles nicht 100% korrekt, aber das ist so grob die Theorie.
Ich meine mich auch an eine Anekdote zu einer Vergleichsstudie zu erinnern: Bei einer Toschusssportart (ich glaube Hockey) wurde einmal das Ziel variiert (hoch, flach, links, rechts usw.) und einmal bewusst die Bewegungsausführung. Die zweite Gruppe hat im Vergleichstest bessere Torschussergebnisse erzielt.
Ich habe in meinem Trainingsprozess nachdem ich die Grundtechnik einigermaßen gelernt hatte, bewusst wieder viele Varianzen eingebaut. So ähnlich wie von Bambus beschrieben. Sowohl verschiedene Ziele als auch Veränderungen der Bewegungsausführung: Im Kniestand, halben Kniestand, offener Stand, geschlossener Stand, überdreht, parallel… Oberkörper vorgebeugt, zurückgelehnt etc. Gebeugter Bogenarm, vorm Auszug mit dem Bogenarm Buchstaben in die Luft malen etc… Alles ist erlaubt, solange es irgendwie den Pfeil aufs Ziel ausrichtet und keine Gefahr für einen selbst oder andere darstellt. Daher auch im Vollauszug kein wildes Gezappel. Ich bilde mir ein, dass es mir geholfen hat. Die Grundtechnik wiederholen zählt übrigens auch als Variation, wenn man vorher „Unfug“ gemacht hat.
Variation von Zuggewicht, Bogentyp etc. hält das System auch lernfähig.
Die Menge an Variation hängt ein bisschen vom Typus ab. Sicherheitsorientierte Menschen brauchen wahrscheinlich mehr Wiederholung einer Bewegungsform (Prof. Schöllhorn hat irgendwo gesagt 3x reicht. -> wäre hier z.B. eine Passe). Andere können mehr und dauerhaftes Chaos vertragen.
Das wichtigste ist aber: Das Ganze macht Spaß und wird nicht langweilig. Man wird aber wahrscheinlich häufig blöd angeschaut! Und am Anfang hat man definitiv mehr Streuung!
Die Theorie wird seit über zwanzig Jahren zum Teil heimlich in verschiedensten Spitzensportarten angewandt. Des weiteren in Therapie und auch Musik…
Und wenn ich mir mein kleines Mädchen gerade anschaue: Die lernt gerade so viel neue Sachen durch ausprobieren und ich würde mir Sorgen machen, wenn sie eine Bewegung dauerhaft und ständig wiederholt.
Ich habe die Grundprinzipien als Trainer im Mannschaftssport und als Lehrer in der Schule angewandt. Als Trainer hat das überragend gut geklappt. Die Teams hatten Spaß und haben befreit gelernt. In der Schule habe ich wechselnden Erfolg, der aber vor allem daran lag, dass die „Freiwilligkeit“ im Schulsport fehlt und es Pubertieren schwer fällt sich zum Affen zu machen. Da überwiegt dann das Sicherheitsbedürfnis.
Fürs Bogenschießen oder andere Präzisionssportarten fehlen mir außer meinem Selbstversuch (der läuft noch :D)aber Belege. Mir reicht aber auch der Spaß und die Ergebnisse passen für mich. Gewinnen will ich damit nichts.
Dann noch ein Punkt zu Überlastungserscheinungen: Bei Musikern zeigen sich typische Überlastungsprobleme seltener bei denen die improvisieren, sondern bei denen die immer gleich und lange üben…
Ich bin gespannt auf eure Diskussionsbeiträge… Feuer frei!
Folgende Fragen habe ich mir neulich schonmal gestellt:
Könnte diese Methode einigen Menschen bei Target Panic helfen? Die Methode kann den Druck aus dem System nehmen, da man auf zum Beispiel einem Bein ja eh nicht den Hirsch auf 50m treffen kann…