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Bogendesign und Bögen für schwere Pfeile

Gast · 20 · 8046

testjan

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Die Frage geht in erster Linie an Bauingenieure, Bogenbauer und andere Spezialkräfte, die sich mit der Theorie der Bogenphysik auskennen.

Man hört oder liest immer mal wieder von Bögen, die „gebaut sind, um schwere Pfeile ordentlich zu verschießen“. Gibt es das oder ist das eher so etwas wie eine Entschuldigung für langsame Bögen oder weniger effiziente Designs?
 
Besonders von oldschool Hill-Style Bögen wird das gern behauptet. Aber würde nicht ein Recurve oder moderner LB schwere Pfeile mindestens genauso gut werfen wie der gerade Langbogen, wahrscheinlich sogar sehr viel besser?


Polaris

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Ich denke, dass ein typischer Vertreter wohl der ELB wäre... (English Long Bow)... Hohes Zuggewicht und schwere Pfeile sorgen für eine hohe kinetische Energie... Pfeilgeschwindigkeit ist dann eher zweitrangig...

Auch das Groß der Bogen "Designs" die u. a. auf steinzeitlichen Funden basieren, kam (und kommt) es weniger auf eine hohe Pfeilgeschwindigkeit an... die Schussentfernung lag (liegt) bei 15 - 25 Meter, da spielt die Geschwindigkeit keine Rolle... da kommt es eher drauf an, dass die Beute  durch einen effektiv- schweren Pfeil zur Strecke gebracht wurde... Ein schwerer Pfeil war (und das weiß ich auch von meinen selber gebauten Bögen) auch besser für die Haltbarkeit der Bögen...




Offline Ralf_HH

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Das Spannende daran ist, dass offenbar die kinetische Energie eines aus dem selben Bogen geschossenen Pfeils mit steigendem Pfeilgewicht bis hin zu absurden Gewichten jenseits der 1000 gn immer noch zunimmt, obwohl die Masse im Gegensatz zur Geschwindigkeit nur linear in die kE eingeht. D. h. der Wirkungsgrad des Bogens steigt auch bei extrem schweren Pfeilen mit steigender Pfeilmasse noch an.

Beim Impuls, der nach Ansicht der Bogenjagd-Spezialisten für die Durchschlagsleistung wichtiger ist als die kE, ist es noch drastischer, weil da auch die Geschwindigkeit nur linear eingeht.

Theoretisch könnte es einen Bereich geben, in dem mit weiter steigender Pfeilmasse die kE ab- und der Impuls trotzdem noch zunimmt. Dies ist aber vermutlich erst bei extrem hohen Pfeilgewichten der Fall, die völlig jenseits realistischer Werte liegen.

Insofern spricht bei überschaubaren Schussentfernungen unter jagdlichen Gegebenheiten tatsächlich einiges für den schweren Pfeil. Aber ich jage ja nicht, und wenn ich selbst lieber leichte Pfeile schieße, dann deshalb, weil sie durch die flache Flugbahn bezüglich einer unsauber geschätzen Entfernung toleranter sind.
Beste Grüße aus dem Norden, Ralf

Kinetic Forged Stylized 38#@26"
Greenhorn Super Comet (ca. 1988), 38#@26"


Zwerg

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Schwerere Wurfarme sind nicht sehr schnell und die Geschwindigkeit nimmt bei einem schweren Pfeil dann auch nicht so überproportional ab.
Leicht Wurfarme mit schweren Pfeil ist dann umgekehrt.


Offline ravenheart

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Ja, so würde ich das auch einschätzen!

Die schweren Wurfarme lassen sich, erst mal in Bewegung, weniger leicht abbremsen, wodurch sich der Schubweg verlängert.

Bei leichten WA gibt es am Anfang viel Schub, gegen Ende aber weniger.

Schwere WA kommen nicht so schnell in Fahrt, bleiben dann aber länger dabei.

Das ist für schwere Pfeile vorteilhaft! Langsamer, aber konstanter geschoben können sie mehr Energie übernehmen.

Das kann jeder zu Hause überprüfen:
Stellt das Auto OHNE gezogene Handbremse auf eine ebene Straße:
Einmal rennt Ihr mit Schmackes dagegen
(das entspricht einer hohen Anfangsbeschleunigung, die aber dann stark abnimmt)  ;D
das 2. Mal lehnt Ihr Euch gegen und drückt mit Kraft ein Stück weit (was einer langsamen, aber konstanteren Beschleunigung entspricht).

Beim 2. mal rollt der Wagen weiter. q.e.d.

Rabe


Offline Stringwistler

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  • Der Bogen schießt... aber die Sehne trifft...
    • Bestandssehnen vom Stringwistler unter.....
Ob das wirklich nur auf das reine Gewicht des Wurfarmes zurück zuführen ist, na ich weiß nicht?  ::)
Eiem Black Widow Recurve wird ja nachgesagt, mit schweren Pfeilen am besten zu arbeiten.
Wenn ihr euch jetzt mal das vordere 1/3 des Wurfarmes mit Tip anschaut.... So schmal und filigran und sicherlich auch nicht die schwersten...
Es hängt eindeutig mehr mit der Bauform und Wirkungskurve zusammen... Anfangs schon gut Schmackes... verleiht dem Pfeil am Schluss nochmal extra Energie... Aber das sollen wirklich mal die Bogenspezialisten hier weiter erklären...  ;D
Servusla, Gruß Guidl...

https://stringwistler.blogspot.de/

58"Spätzchen TD v.Chris😉
Stegmeyer TD- Hybrid 60"40lb@30"
Gravity Janus 17"ILF mit dito.
White Feather Lark 19"Junxing Pharos Hybr.63",
Jensbows Rayden 64"-38lb.3stripes-rubyred, 65"ILF-Amey XGS Ghosthand+Bosenbows doplCarbonFoamLB


testjan

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Ja, das klingt einleuchtend. Polaris‘ Anmerkungen zu historischen Bögen auch, wobei die wohl eher so aussahen, weil man es eben nicht anders/besser machen konnte, mangels Knowhow oder Material.

Mir ging es auch eher um moderne Bögen. Trotzdem beißt sich die Katze in den Schwanz. Praktisch jeder Hersteller oder Bogenbauer bemüht sich, leichte Wurfarme zu bauen, manche werben sogar damit, besonders filigrane und leichte Wurfarme zu produzieren. Und gleichzeitig gibt es angeblich Bögen, die „dazu gedacht sind, schwere Pfeile zu verschießen“ - ich verstehs nicht.


AndiE

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Hallo

Man baut einen Bogen so dass er einen hohen stored energy Wert hat (entscheidend ist die Geometrie) und schon hat man den idealen Jagdbogen für größeres Getier. Der Wirkungsgrad interessiert hier nur zweitrangig.
Die besten Bögen dafür sind z.B. der Border Covert Hunter, der Centaur Longbow, die Dryads und A&Hs... und diese haben alle sehr leichte Wurfarme.
Ich lese viel in amerikanischen Foren und zu solchen Themen kann man da sehr viel lernen, besonders von Sid (Border Archery). Der kann in einen einzigen Beitrag mehr Infos packen als andere in ein ganzes Buch.

MfG
      Andi


Polaris

  • Gast
Ja, das klingt einleuchtend. Polaris‘ Anmerkungen zu historischen Bögen auch, wobei die wohl eher so aussahen, weil man es eben nicht anders/besser machen konnte, mangels Knowhow oder Material.

....


Oh, da bist du auf dem Holzweg... man geht heute davon aus (nach Funden in Frankreich), dass der Gebrauch von Pfeil und Bogen schon seit 50.000 Jahren bekannt ist... d. h. - unser Vorfahren hatten sehr lange Zeit sich an höchst effektive Bogendesigns heran zu arbeiten... Ein gut gebauter Selfbow kann es schon mit mit modernen Bögen aufnehmen.... Eins ist aber richtig... letztlich war der Bogenbau aber  vom verfügbaren Holz abhängig...


Zwerg

  • Gast
Solange immer die gespeicherte Energie mit der Pfeilgeschwindigkeit, und somit der kinetischen Energie mit Hilfe des Wirkungsgrades beurteilt wird bekommt man keine Antwort zu dem Thema. Um die Situation richtig zu bewerten ist der Gütegrad das richtige Maß. Der Gütegrad vergleicht die tatsächlich zur Verfügung stehende Energie zur genutzten Energie. Das heißt das systematische Verluste nicht mit eingerechnet werden da ich an diesen nichts ändern kann. Bei Verbrennungsmotoren ist der Gütegrad ca. 80% dagegen ist der Wirkungsgrad um 45 %.
Beim Bogen ist der größte Faktor die Trägheit der Wurfarme welche sich aus der Masse und dem Tiller ergibt, also nicht nur schwer ist schlecht auch das Design spielt hier eine Rolle. Tiller und Trägheit ist ein wenig kompliziert aber ich versuche es mal.
Die Trägheit ist die Eigenschaft von Körpern, in ihrem Bewegungszustand zu verharren, solange keine äußere Kraft auf sie einwirkt. Die sogenannte träge Masse gibt die Größe der Trägheit an, je größer diese ist umso weniger beeinflusst eine Kraft deren Bewegung oder deren Ruhezustand. Diese Trägheit ist bei geradliniger Bewegung recht einfach, denn jeder kann nachvollziehen das ein Auto leichter aus einem Ruhezustand anzuschieben ist als ein LKW, welcher in aller Regel sehr viel schwerer ist.
Wenn wir uns aber die Bewegung des Bogenendes betrachten haben wir hier keine lineare Bewegung sondern eine kreisformähnliche Bewegung. Bei einer Drehbewegung bestimmt  nicht nur die Masse alleine, wie bei der geradlinigen Bewegung, die Trägheit, sondern auch der Abstand zu der Drehachse.
Das so genannte Trägheitsmoment, oder der Widerstand gegenüber einer Änderung der Rotationsgeschwindigkeit, setzt sich also aus der Masse sowie deren Abstand vom Drehpunkt zusammen, wobei die Masse linear und der Abstand quadratisch eingehen. Welch großen Unterschied der Abstand macht sehen wir bei einer Pirouette im Eiskunstlaufen, bei gleicher Masse ist die Drehgeschwindigkeit wesentlich größer wenn der Schlittschuhläufer die Arme zum Körper hin bewegt und so den Abstand zur Drehachse verringert, denn der Drehimpulse bleibt gleich und ein erneutes „Schwung“ holen ist nicht erforderlich um wieder zu beschleunigen.
Zur Ermittlung des Drehpunktes können wir  den Momentanpol benutzen. Dies ist eine Bezeichnung aus der Kinematik und bezeichnet den Punkt um welchen ein Körper zu einem momentanen Zeitpunkt eine reine Drehung ausführt, auch wenn seine Bewegung im großen ganzen eine Überlagerung von geradliniger als auch rotatorischer Bewegung ist. Da wir das in einer Bewegungsebene betrachten lässt sich der Momentanpol aus 2 verschiedenen Positionen bestimmen. Im Prinzip funktionier es wie bei der Wendepunktbestimmung eines Autos. Wenn wir die Achslinien rechtwinkelig zu den Reifen verlängern treffen diese in einem Punkt zusammen welcher den Mittel oder Drehpunkt des Wendekreises darstellt.
Wenn wir uns den gesamten Wurfarm eines Bogens in einzelne Stücke aufgeteilt vorstellen, können wir den Momentanpol bestimmen um welchen sich ein jedes Teilstück des Wurfarmes dreht. Genauso wie ich beim Auto die Achsen hierzu nehme, kann ich auch die Geschwindigkeiten heranziehen um den Punkt zu finden. Bei jedem Teilstück ist die Geschwindigkeit am oberen Ende höher als am Unteren, im ganzen gesehen bewegt sich das Bogenende ja auch schneller als ein Stück welches nahe am Griff ist. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten können wir als Pfeile darstellen. Verbinden wir die Spitzen dieser Pfeile mit einer Geraden werden diese übertragen auf beide Positionen,  Anfang und Ende der Bewegung einen gemeinsamen Schnittpunkt haben, den Momentanpol M. Dies ist der Mittelpunkt der Bewegung welche das Teilstück des Wurfarmes von der einen zur anderen Position vollführt.
Wenn ich jetzt den Bogen optimiere um die "restliche" Energie best möglich umzusetzen habe ich einen Bogen der sowohl schwere als auch leichte Pfeile optimal wirft, beide extreme sind nicht von Vorteil ein weiter Bereich von Pfeilgewichten ist da eher gewünscht.

Zwerg


Offline roscho

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Schwere Kost ;) - jetzt weiss ich warum ich lieber schiesse und nicht baue.

Danke für diese ausführliche Erklärung.
Bogenschiessen ist einfach, aber nicht leicht ;)

"Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk,
und der rationale Verstand ein treuer Diener.
Wir haben eine Gesellschaft erschaffen,
die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat."

* Albert Einstein




Offline roscho

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Roscho, das ist bei mir umgekehrt  8)

 ;D ;D ;D ;D

Hast du nicht mal Lust zum AC Treffen nach Buch zu kommen und ein paar "Muster" mitzubringen ?


« Letzte Änderung: Januar 25, 2018, 08:40:57 Vormittag von roscho »
Bogenschiessen ist einfach, aber nicht leicht ;)

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* Albert Einstein


Offline Sonuka

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Aber, um ehrlich zu sein, kann ich mit Erklärungen von Zwerg deutlich mehr anfangen als mit irgendwelchem historischen Hokus-pokus-klangschalen-Theorien.
Danke für die Erklärung. Aber das würde bedeuten, dass man durchaus, wenn man mit der Methode Versuch und Irrtum an das Designen eines Bogens rangeht, einen Bogen bauen kann, der in schwere Pfeile mehr Energie packen kann, als in leichte? Oder habe ich das Missverstanden?
Dauernd was anderes
Sparrow von Chris Unger
Gerne Chinesen (Black Hunter und ähnliches)
Mohawk Chief Recurve