Archers Campfire

Mittelteil für Border. Ein Baubericht


Offline kungsörn

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Eine beiläufige Bemerkung beim Abendessen, dass der Griff meines alten 19“ Mittelteils nicht so recht mit meiner Bogenhand harmonieren würde, brachte etwas Unruhe in die gemeinsame Mahlzeit.
Die geballte unglaublich scharfe Intuition meiner Familie führte dann auch unverzüglich zu dem Vorwurf, dass sich das einzige männliche Familienmitglied wohl für die nächsten drei Monate in seine Kellerwerkstatt zurückzuziehen gedenke.
Um es weiter poetisch zu beschreiben:
Mein Kopfschütteln - als Geste der Verneinung - sollte in tiefer Skepsis versinken, wie ein Kieselstein in einem See.
Doch am Ende würde ich doch ein bisschen Recht behalten. Es waren mehr als acht Monate.
« Letzte Änderung: Oktober 07, 2022, 07:24:54 Vormittag von kungsörn »
Niemals fesselt mich ein Band, riegelt mich ein Riegel
Suchte meinesgleichen, fand nur Sünder ohne Zügel
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Noch ein paar Detailbilder
Eine kleine Entstehungsgeschichte folgt in den weiteren Beiträgen von mir.
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Der Griff
Grundsätzlich bedeutet ein nicht passender Bogengriff, dass das entsprechende Mittelteil angepasst wird. So war ich denn erst einmal nicht darauf aus, ein gänzlich neues Mittelstück zu bauen.
Ich habe also den Border-Griff in einem Kantholz (Fichte) nachgebaut und anschließend so modelliert, wie es mir passend erschien.
Schnell stellte sich aber heraus, dass der optimale Griff mit Feile und neuem Lack nicht zu realisieren sein würden. Zumindest die Fingerrillen kann man nicht einfach um zwei Handschuhgrößen kleiner feilen und eigentlich brauche ich zum Halten nur zwei Fingerkuppen.
Mehr aus Neugier heraus habe ich auf der anderen Seite einen Falkenholzgriff nachgebaut.
Herausgekommen ist am Ende ein Anatomic-Fit mit Führung der oberen zwei Fingerkuppen und Daumenauflage ala Falkenholz.
Der Griff war dann schlussendlich ausschlaggebend für den ganzen Aufwand.
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Form und Material
Wenn schon ein Eigenbau, dann gleich so gestalten, wie man es sich wünscht.
Außer dem Individuellen Griff sollten noch Buchsen für Bogeköcher, ein weit über Mitte geschnittenes Fester und mehr Deflex für angenehme Standhöhen einfließen.
Parallel zum Konstruieren der Grundform wurde fleißig recherchiert. Es wurden Möglichkeiten und Kosten ausgelotet (Danke auch ans Forum). Dann Material besorgt und viel probiert.
Ich habe mich für Eiche (geräuchert) mit Laminaten und Overlays aus Carbongewebe, ohne sonstige Zierstreifen und Farbspielereien entschieden.
In den Bildern sieht man meine Laminierungs- und Räucherversuche.

Die Anordnung der Laminate und das Design habe ich weitestgehend vom Covert Hunter übernommen. Das stellt m.E. schon eine ziemlich optimale Bauform dar.
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Der Bau Teil 1
Die geschwungene Bauform, das niedrige Shelf und das weit geschnittene Bogenfenster sind ohne Laminate nicht zu empfehlen. Zumindest nicht bei Verwendung von Vollholz.
Je vier Lagen Carbongewebe in Epoxidharz übernehmen hier die Stabilisierung.
Die Holzteile wurden an der Bandsäge ausgeschnitten, mit dem Bandschleifer eben geschliffen und mit grobem Schleifpapier angeraut.
Für das Epoxy habe ich eine Verarbeitungsdauer von 45 Minuten gewählt und bin gut damit gefahren. 30 Minuten währen auch noch gegangen. Weniger kann mitunter zu Panikattacken führen.
Nachdem alles fest war, wurden die Seiten parallel bzw. winklig geschliffen. Erst auf einem großen Bandschleifer, dann per Hand (siehe Bild). Mein Schreiner hätte mir wohl sonst seine Hobelmesser hinterhergeschmissen.
Wenn die Seiten nicht Eben sind, bekommt man später Probleme bei den Flächen Wurfarmaufnahmen.
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Der Bau Teil 2
Die Frontseite sollte sowohl Holz- als auch Carbonelemente haben. Ich habe zunächst die Wurfarmaufnahme und die Frontseite ausgesägt, mit zwei Lagen Gewebe laminiert und anschließend die Wurfarmaufnahmen eingeschliffen.
Das Overlay der Front besteht aus weiteren zwei Lagen Gewebe - wobei die obere diagonal gelegt ist - und der sichelförmigen Erweiterung. Da ich die Carbonoberfläche gleich mit modellieren wollte, war das ein ordentliches Gemansche.
Beim Anreißen der Bohrungen habe ich einen Baulaser benutzt. Wie auch beim Bohren selbst, kann man hier schon mit kleinsten Fehlern das ganze Mittelstück ruinieren.
Wie sagte der alte Meister immer: „Mach es so genau, wie Du kannst. Ungenau wird’s von alleine“.
Das Ausrichten auf dem Kreuztisch hat etwa 2 Stunden gedauert.
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Der Bau Teil 3
Das Bohren und Fräsen der Befestigungen der WA ist nicht weniger spannend, als das Anreißen selbiger.
M12-Gewide im Holz nehmen später die Buchsen für die Wurfarmverschraubung auf und werden in einer Aufspannung gleich mitgemacht.
Der erstmalig aufgespannte Bogen zeigt, dass es passt. Der Offset (Mittenversatz) ist gewollt und dem über Mitte ausgeschnittenen Bogenfenster sowie der Daumenablage geschuldet.
Im Bild ist weiter zu sehen, dass die hintere temporäre Schraube nicht direkt in der Flucht sitzt.
Das liegt daran, dass die Bohrung viel größer als die Schraube ist. Die WA selbst fluchten erstaunlich gut, wenn man bedenkt, dass sich der Winkelfehler der WA-Aufnahme mit Faktor 10 auswirkt.
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Der Bau Teil 4
Die Buchsen haben außen M12, innen durchgängig M8 und einen Flansch. Sie werden von Hinten eingeschraubt, verklebt, abgedeckt und mit Epoxy vergossen. Die Kräfte aus der WA-Verschraubung können so optimal auf das Mittelteil verteilt werden. Die Scher- und Zugbeanspruchung der Klebefugen wird gemindert.
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Der Bau Teil 5
Für die Rückseite der WA-Aufnahme (eigentlich Bogenbauchseite) habe ich mich ebenfalls für Carbon entschieden. Ursprünglich wollte ich Furnierstreifen als Abdeckung aufleimen. Das Eichenfurnier war aber zu trocken, um sich biegen zulassen.
So habe ich eine Schablone zum Laminieren gebaut und ein Abreißgewebe verwendet. Das hätte ich schon bei der Frontseite (Bogenrücken) tun sollen.
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Der Bau Teil 6
So, das Carbongepannsche ist vorbei und das Modellieren kann beginnen. Wie zu erkennen ist, hatte ich mir zwischenzeitlich noch einen Probegriff gebastelt. Diesen kann man an die Wand drücken um den Druckpunkt der Hand zu simulieren.
Für den Bau eines Mittelteils mit Laminaten (CFK, GFK) sollte man einen Werkzeugsatz (Raspel, Feile, Säge (-band)) als Verschleiß einplanen. Trotzdem. Für mich der schönste Teil der Arbeit.
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Der Bau Teil 7
Obwohl ich mich - so gut wie möglich eben - an die Grundgeometrie der Originale von Border gehalten hatte, stellte sich heraus, dass der Tiller überhaupt nicht passte.
Mit einem Draht konnte ich während des Auszuges beobachten, wie sich der Pfeilwinkel zum Bogen ändert. Der Pfeil sollte (bei moderater Nockpunktüberhöhung) sein Spaltmaß zum Drahtende beim Ausziehen und Ankern nicht oder nur wenig ändern. Bei diesem Test kann man auch sehr viel über seinen Druckpunkt lernen.
Das Biegen und Schleifen der Ausgleichskeile aus formbaren CFK-Platten war mühsam und langwierig.
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Der Bau Teil 8
Nachdem die endgültige Kontur erreicht war, wurde feiner geschliffen und anschließend geräuchert.
Der Vorteil gegenüber dem Beizen liegt darin, dass Ammoniak-gas einige Millimeter ins Holz eindringt. Nachträgliches Bearbeiten ist dann ohne Probleme möglich.
Mein Mittelteil lag dafür etwa 24 Stunden in einer flachen Pappschachtel. Daneben eine Schale mit Ammoniaklösung (10%ig aus der Apotheke). Das Ganze luftdicht umhüllt und verschlossen mit einer Plastiktüte. Die 45-50°C, die in meinem Wintergarten erreicht wurden, haben auch einen nicht unerheblichen Anteil am Ergebnis.
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Offline kungsörn

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Das Finish 9
Eiche ist relativ festes Holz, hat aber auch große Poren. Ich habe deshalb beschlossen, das Epoxy als Füller zu verwenden. Der Rohling wurde mehrmals damit gestrichen und nach Festwerden geschliffen. Das ist Zeitaufwändig, hat aber ganz gut funktioniert. Schleifen hat auch was Meditatives…
Beinahe wäre ich mit dem schönen matten Finish schon zufrieden gewesen. Wegen der besseren Festig- und Beständigkeit kommt aber doch noch der bewährte 2K-PU-Lack drauf. Das Ganze seidenmatt geschliffen.
(Zum Bogen gehört natürlich auch ein Bogenköcher in selbigem Stil. Den werde ich aber ggf. in einem anderen Bericht vorstellen.)
Vielen Dank für euer Interesse und wenn es Fragen gibt, gerne hier.
« Letzte Änderung: Oktober 07, 2022, 07:31:58 Vormittag von kungsörn »
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Offline roscho

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Ganz großes Kino ! :klasse:

Danke für den Baubericht und ganz lange Freude damit !



Bogenschiessen ist einfach, aber nicht leicht ;)

"Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk,
und der rationale Verstand ein treuer Diener.
Wir haben eine Gesellschaft erschaffen,
die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat."

* Albert Einstein


Offline Grendel

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Da bleibt einem mal die Luft weg. Absolut großartig!
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